Mit meinem mittlerweile gelöschten Blogpost "Deutschland sucht die Superzicke" hätte ich wohl noch ein bisschen warten sollen.
Gestern Abend bin ich mal der Programmempfehlung meines Paten gefolgt und hab kurz nach 22 Uhr ARD eingeschaltet: "Hart aber fair". Diesmal ging's um soziale Gerechtigkeit und die Konzepte zur Umsetzung selbiger seitens der einzelnen Parteien.
Vertreter waren Klaus Wowereit (SPD), Gregor Gysi (Die Linke), Fritz Kuhn (Bündnis '90/Die Grünen), Rainer Brüderle (FDP) und Volker Kauder (CDU).
Abgesehen davon, dass ich ausschlaggebend durch diese Sendung mittlerweile dazu neige statt der FDP die Grünen zu wählen, hatten die 45 Minuten außerdem noch Unterhaltung der anderen Art zu bieten. Da sah man einen Gregor Gysi, der in regelmäßigen Abständen sowohl auf verbale als auch nonverbale Weise seinem Unmut über zu geringen Wortanteil Ausdruck verleihen wollte. Er fühlte sich in seiner Ehre als Politiker anscheinend verletzt, da der Moderator ihn lediglich zur Aufmachung seines Wahlplakates ("Reichtum für alle!") befragt, ihn aber bei wichtigeren Themen wie Mindestlohn nicht in die Diskussion einbezogen hatte. Also fand er andere Wege für seine Partei Werbung zu machen, beispielsweise eben über solch eine Beschwerde, an die er schnell noch seine eigenen Vorstellungen zum Thema anschloss. Das war für mich ziemlich amüsant zu beobachten, können Politiker doch einfach nicht aus ihrer Haut mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg zu halten.
Gut fand ich an der Sendung, dass auch mal Stimmen von Zuschauern gehört werden und ein aktueller Fall bezüglich eines Brennpunktes präsentiert wird. Auf das Exempel von gestern bezogen etwa der einer Mutter, die in Teilzeit arbeitet, um noch Zeit für ihre zwei Kinder zu haben, und ihr Gehalt mit staatlicher Unterstützung aufstocken muss. Die 15-jährige Tochter verrichtet Ferienarbeit, um ihrer Mutter beim Abstottern einer Rate an die ARGE zu helfen, weil der Lohn für die paar Wochen auf das Hartz IV der Mutter angerechnet wird - was nicht nur die Zuschauer, ich und sicherlich viele andere auch als sozial ungerecht und empörend empfinden; arbeitet man als Schüler in den Ferien doch eigentlich dafür, um sich eigene Wünsche erfüllen zu können, wie zum Beispiel den Chinesischunterricht, den die Mutter niemals aus eigener Tasche finanzieren könnte.
Ich denke, dass ich "Hart aber fair" zukünftig mal in mein Stammprogramm aufnehmen werde. Es regt zum Nachdenken an und macht einem aus unterschiedlichen Sichtweisen - und nicht nur der objektiver Berichterstattung - bewusst, was in diesem Land teilweise richtig falsch läuft und woran man einfach noch arbeiten muss.
Bin gespannt auf nächsten Mittwoch und erhoffe mir neue Anregungen oder vielleicht sogar die Verfestigung meiner Wahlstimme für den 27. September.
7 Kommentare:
Mit Verlaub, Hart aber Fair, Kontraste und wie all diese tollen politisch motivierten Sendungen der öffentlich rechtlichen heißen verdienen den eigenen Namen "politische Sendungen" nicht.
Wie dein Beispiel zeigt, sind weder die Redeanteile gerecht verteilt noch sind die vorgestellten Themen repräsentativ. In 99% der Fälle wird da kein Durchschnittsfall rausgepickt sondern irgendein Hardcore-Fall der emotionalisieren soll und in den meisten Fällen einfach nur noch als manipulativ zu sehen ist.
Was meistens noch erschwerend dazu kommt ist die schlechte Recherche. Ich weiß ja aus erster Erfahrung wie das ist, wenn's um Killerspiele oder Internetsperren geht ;)
Genauso interessant ist, dass fast nach jedem "seriösen" Bericht über die Rente (zuletzt im ZDF war nicht mal ein Vertreter der Rentenversicherung zum Thema Rente eingeladen) am nächsten Tag eine Richtigstellung bei uns auf der Firmenseite erscheint.
Auch das öffentlich-rechtliche ist da angekommen wo die privaten am Nachmittag mit ihren Talkshows waren
Wieso hättest du noch warten sollen?
Mit Verlaub, aber meinst du nicht auch, dass man eben mit gerade solchen Fällen die Bevölkerung ansprechen kann?
Mit durchschnittlichen Beispielen wird man da wohl nicht weit kommen, von daher finde ich das schon irgendwo nachvollziehbar. Ungerechtigkeiten kann man eben nur da veranschaulichen, wo es auch emotional zur Sache geht, denn Ungerechtigkeit EMPFINDET man.
Und, mit Verlaub, was einer Talkshow der Privatsender ähnelt, und was nicht, ist wohl Geschmackssache.
Hart aber Fair hat leider nicht immer so gute Themen, ist als politische Sendung aber zu empfehlen.
Gerade weil sie die emotionalisierenden Grenzfälle zeigen, weil eben diese gilt es ja abzufangen. Aber so lange man nicht selbst betroffen ist, sind diese Fälle ja nur Meinungsmache.
Dran geblieben bin ich nach dem Einschalten eigentlich auch nur, weil mein Pate meinte, dass dort öfter mal Themen besprochen werden, die auch für die Privatversicherungswirtschaft von Belang sind - also für die Branche, in der ich arbeite.
Ich denke, Meinungsmache wird sich bei Diskussionen auch nie ganz wirklich vermeiden lassen.
Ich empfinde Einzelschicksale in solchen Sendungen als ziemlich störend, weil sie meistens indirekt den Anspruch erheben, in irgendeiner Weise repräsentativ zu sein. So etwas drängt den Zuschauer in eine bestimmte Position und zeugt nicht grade von seriösem Journalismus. Vom journalistischen Niveau her bewegt sich das auf Höhe einer nicht repräsentativen Straßenumfrage: "Wir haben keine Argumente, keine Ahnung was wir senden sollen und noch massig Sendeplatz über. Lasst uns Einzelschicksale und Straßenumfragen einbauen, das kommt an. Auch wenn es überhaupt keine Aussagekraft hat..."
Genau das war es was ich meinte, MrBrook.
Bei diesen Fällen handelt es sich um Prozentzahlen von Betroffenen, die irgendwo bei 1% und drunter rumkrebsen, lediglich darauf ausgelegt, den kleingeistigen Zuseher zu emotionalisieren und zu manipulieren. Zumeist wird dann eben auch noch unsauber recherchiert und der oder die Betroffene würde auch nie zugeben, dass sie vielleicht selber an der einen oder anderen Stelle Fehler gemacht hat.
Aber du hast schon recht... wenn man nur von den 99,9 % der Fälle berichten würde in denen alles glatt läuft und klappt wäre das ziemlich öde. Meines Wissens werden solche Leistungen auch unter Vorbehalt späterer Prüfung ausgezahlt.
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